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Mundartdichter neu entdeckt

Stefan Österle gefällt als Sebastian Blau

LITERATUR Mit Bravour schlüpft Stefan Österle vom Stuttgarter „Dein Theater“ in der Kulturhalle Süßen in die Rolle von Josef Eberle alias Sebastian Blau.

Zwei Schauspieler auf der Bühne mit Mikrofonen, er in rotem Hemd, sie mit orangefarbenem Hut und blauem Kleid, halten gemeinsam eine Stoffpuppe.
Stefan Österle mit Martina Schott in „Alois und Paula – eine schwäbische Liebesgeschichte“. Foto: Sabine Ackermann
Pressestimme

Quelle:
Südwest Presse

Datum:
Mi, 09.04.2024

Ein Artikel von:
Sabine Ackermann

Veranstaltung:
BLAUS WUNDER

Obwohl die „Mundart gemeinhin als kleinkariert und provinziell gilt“, möchte Schauspieler Stefan Österle an dieser Stelle bemerken, „dass sie zum Ausdruck von Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung auch heute noch durchaus tauglich ist“. Zudem sei er als Schwäbischsprecher in der Lage, zu objektivieren und über sich selbst zu lachen, fährt der facettenreiche und wortreiche Schauspieler vom Stuttgarter Ensemble „Dein Theater“ mit dem „Lied der Schwaben“ fort.

Im literarischen Programm „Blaus Wunder“ präsentierte Stefan Österle in der Kulturhalle Süßen fortan Josef Eberle, bekannt und beliebt als Pseudonym Sebastian Blau, und kombinierte dessen Sichtweise zum Heimatverständnis geschickt mit Fakten aus seiner Biografie, transportiertes Lebensgefühl, rezitierend umrahmt von Gedichten und Liedern, die er mit Gitarre oder Mundharmonika begleitet. „Ich sagte weder nein noch ja, auf einmal war ich eben da“, schildert Österle Sebastian Blaus Dasein und fügt an: „In Raoteburg an oiner Bruck, do stoht dr Heilige Nepomuk.“ Danach wird’s leicht makaber, indem ein trauriger Anlass zum Spaß wird. „So nimm denn meine Hände“ singt er mit hoher und weinerlich-brüchiger Stimme einer Witwe, deren Gatten durch einen Biss ins Göckele verschied.

Anschließend trifft es die Stuttgarter: „Ond en Allmachtskrrattel hend se, ond es Maul voll nemme tend se. Älls was reacht ist, aber ’s geit henter Stueget ao noh Leut!“

Stefan Österles Talent liegt im allertiefsten Zungenbrecher-Schwäbisch, insbesondere der Aneinanderreihung in einem Konvolut an Schimpfwörtern für jegliches Geschlecht. Sei es bei weiteren Gedichten und Geschichten wie „Ha wa, mir!“, „St. Grobian“, „Dreierlei Schwäbisch“ oder mit seinem gesungenen Volksgut, wie „Mädle ruck, ruck, ruck“.

Für Genies isch s’Ländle klei, drom isch dr Schiller ganga“, streift er den Dichter, weitere Lyriker mit schwäbischen Wurzeln wie Hesse, Mörike oder Uhland werden zumindest erwähnt.

Nach der Pause gab es mit „Alois und Paula“ eine gesprochene „Sex-Welle“ in Form einer „schwäbischen Liebesgeschichte in Briefen“. Stefan Österle und Martina Schott überzeugten mit ihrer vorgelesenen „Eifersucht“: Paula kontrolliert da ihren Alois, dieser streitet die Vaterschaft ab – droht nun eine „Erbsünde“?

Man musste in der gut gefüllten Kulturhalle schon genau zuhören, um das Schwäbisch Sebastian Blaus richtig einzuordnen. Weit entfernt von den üblichen Schenkelklopfern war diesmal viel Tiefgründiges dabei.

Josef Eberle alias Sebastian Blau

Vita: Geboren wurde Josef Eberle am 8. September 1901 in Rottenburg am Neckar. Buchhändlerlehre in Tübingen (bei Heckenhauer wie Hesse). Ausübung in Berlin. Heirat am 3. September 1929 mit Jüdin Else Lemberger. Gestorben am 20. September 1986 in Samedan, Graubünden.

Beruf: 1927–1933 Leiter der Vortragsabteilung von Radio Stuttgart. Ab 1936 Schreibverbot, ab 1945 Gründer und Herausgeber (bis 1971) der Stuttgarter Zeitung.

Pseudonym: Neben seinen berühmten Mundartwerken veröffentlichte Blau mehrere Bände mit lateinischen Gedichten und Essays zur römischen Antike. Er gilt als der bedeutendste lateinische Dichter unserer Zeit.

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